Dienstag, 9. Februar 2010

Kuschelclub oder Antichrist (Fragezeichen)

Die Kirchenglocken läuten, die Gläubigen strömen in die Kirche. Nach einem gefühlvollen Preludium leitet der Moderator den Gottesdienst mit einem Bibelwort ein. Die Lobpreisleitung setzt heute ganz klassisch auf Klavier und Orgel. Gesungen werden traditionelle, alte Lieder. Die Predigt ist Balsam für die Seele. Der Pastor spricht davon, dass Gott uns alle liebt wie wir sind und dass uns unsere Sünden vergeben sind. Nach dem Gottesdienst sitzt man im Gemeindecafe zusammen und spricht über die neuesten Ereignisse im Alltag und am Rande, wie gut die Predigt war.
Alles in Allem ein gemühtlicher Sonntagvormittag.
Ich könnte dieses Bild noch auf verschiedene christliche Kreise beziehen, aber ich denke es ist deutlich geworden, was ich damit sagen will. Wir alle freuen uns, wenn wir sowas erleben. Einen runden, gelungenen Gottesdienst.
Aber fast alle kennen, oder haben zumindest davon gehört, auch ein anderes Bild. Da gibt es die Jugendlichen, die unbedingt neue Instrumente im Lobpreis spielen wollen. Da gibt es Lobpreisleiter, die, warum auch immer, neue Hillsong Lieder singen wollen. Da gibt es junge Menschen, die neue Ansprüche an die lang erprobte Praxis der Gemeinde stellen. Es gibt Vieles was unsere vertrauten Abläufe anzweifelt. Und die Liste könnte endlos sein.
Was macht das mit uns?
Ergreifen wir das Wort und bringen unseren Unmut über diese übertriebenen Forderungen lautstark zum Ausdruck? Oder bringt das unsere verkalkten Gedanken in Bewegung?

Warum versuchen wir die Zweifler mit allen Mitteln zum schweigen zu bringen? Warum treiben wir immer wieder junge, motivierte und engagierte Leute aus unseren Gemeinden, beklagen uns aber über Mitarbeitermangel?
Aus einem aktuellen Beispiel habe ich es am eigenen Leib erfahren, aber höre aus vielen Gemeinden, aus erster oder zweiter Hand, ähnliche erschreckende Begebenheiten.
Da wo unser Kuschelclub angegriffen wird, reagieren wir sehr allergisch.
Warum rede ich von einem Kuschelclub? Christen müssen lieb sein. Gott ist ein Gott der Liebe, gutmütig, langmütig und gnädig. Einfühlsam, fürsorglich und vor allem brav. Wir halten uns an die Regeln, reden nie schlecht über andere, lügen nicht, fluchen nicht, helfen anderen (aus der Gemeinde), wir zweifeln nicht. Wir stellen den Glauben und die erprobte Praxis nicht in Frage. Sollten wir es doch tun, müssen wir uns fragen ob wir überhaupt noch Christen sind. So zumindest die gefühlte vorherrschende Meinung in vielen Gemeinden.
Wie kommt es dazu? Unser Beispiel ist Jesus. Er war alles das, aber vor allem war er brav. Er verstößt nicht gegen Gottes Regeln und er ist lieb und nett. Deshalb müssen wir auch so sein.
Es erschreckt mich, wie fest verankert diese Überzeugung (dieser Irrglaube?) eines lieben Christen, eines lieben, braven Gottes ist. Und es ist noch erschreckender was das für Auswirkungen auf uns hat.
Ich habe es vor kurzem miterlebt, wie Menschen der Glauben, das „richtige“ Christsein abgesprochen wurde weil sie den Kuschelclub angezweifelt haben.
Unsere Welt wird immer schneller. Dinge werden immer kurzlebiger. Vieles funktioniert nicht mehr in lange erprobten Mustern. Es wird Zeit den Friedhof der Kuscheltiere zu überwinden und endlich anzufangen selbstständig, kritisch die eigenen Muster, eigenen Gemeindemuster zu betrachten.
Wir müssen anfangen als prädestinierte Antichristen Zweifel laut zu äußern. Wir müssen anfangen Zweifel zu entdecken. Ohne uns an diesen Zweifeln zu schleifen werden wir uns immer tiefer in einer Maschinerie verfahren, die uns lähmt und handlungsunfähig macht. Wenn wir zu lange Zweifel missachten und gekonnt aus unserem Kuschelclub heraus drängen, werden wir bald aussterben.
Zum Glück gibt es junge und alte Menschen, die sich nicht davon abschrecken lassen. Menschen die mutig und entschlossen auf Probleme hinweisen und ohne Scheu Kritik äußern. Ich bin froh über jeden, an dem wir uns und unsere Gemeinde schleifen können. Denn nur so werden wir echt und authentisch. Nur so, und nur so können wir wachsen und Christus ähnlicher werden.

4 Kommentare:

  1. Amen Bruder!!!!!
    Bin deiner meinung. Ist das jetzt der Blog den du so lange vorbereitet hast???
    Is gut geworden.
    HDL

    AntwortenLöschen
  2. ich find eingerosteter glaube hat auch noch den nachteil, dass das leben mit gott ziemlich langweilig wird und ganz ehrlich. ich halte nix von langeweile im glauben.
    ansonsten muss ich meinem bro und meiner sis voll zustimmen

    LilBro

    AntwortenLöschen
  3. Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der Dritte.
    (Büldung am Vormittag, Wie Hoaßts? Wer sogts?)

    Ich will jetzt nicht auf Krampf meinen Senf dazu geben nach dem Schema "me too". Dein Beitrag hat mich einfach angesprochen.

    Was ich denke, bringt dein letzter Absatz ganz gut auf den Punkt. Sicher ist in Frage stellen gut. Auch die Aussage hinter Kuschelclub ist verständlich. Für mich stellt sich die Frage, was wir denn alles in Frage stellen sollen/dürfen. Jesus? Die Bibel? Ich befürchte eben, daß bestimmte in Frage stellende Fragen den Glauben selbst in Frage stellen. Aber es ist ja sicher nicht Ziel des In Frage stellens, nicht mehr zu glauben. Und selbst wenn wir versuchen, die Fragen aus der Sicht Gottes zu beantworten, können wir nicht sicher sein, die "Wahrheit" gefunden zu haben. Die letztendliche Wahrheit liegt doch bei ihm. Oder?

    $0.02
    (just my two cents)
    GfS, Thomas

    AntwortenLöschen
  4. Danke für diesen ehrlichen Post!
    Das sollte am besten an die Christen weltweit als Rundmail gehen.
    Übrigens: Herzliche Einladung, mal auf meinem Blog vorbei zu schauen!

    AntwortenLöschen