Freitag, 23. April 2010

Randgruppenmission in Deutschland




Begründung und Auswirkung
der Mission von Randgruppen
in Deutschland

Hausarbeit im Fach Missiologie


Verfasser: Stefan Hofmann

Grundgedanken
Wenn wir über das Thema Mission nachdenken, gehen wir oft von Bekehrungsversuchen in fremden, oft weit entfernten Ländern und Regionen aus. Oder wir denken an sozialen Einsatz in armen Ländern, die Förderung von Bildung, die Bekämpfung von Hunger und Armut und das Lindern von anderen Leiden. Wir machen uns dann Gedanken, wie wir das Evangelium kontextualisieren können oder wie die benötigten Hilfestellungen zu gewährleisten sind. Wie können wir unsere Missionare am besten auf den Einsatz vorbereiten und unterstützen? Es werden Spenderkreise gesucht und Gesellschaften gegründet um eine gut koordinierte und flächendeckende Mission zu ermöglichen. Deutschland, bzw. Zentraleuropa war lange Zeit ein Zentrum für theologische Bildung, Kontroverse und Diskussion. Die Kirche an sich, und später die Freikirchen profitierten bis in die späten 90er davon. In den letzten Jahren kam es allerdings zu einem Wandel in der Welt. Auf den amerikanischen, asiatischen und afrikanischen Kontinenten kam zu großen Erweckungen und das Evangelium verbreitete sich zusehends mehr durch innere Dynamik und Menschen der eigenen Kultur als durch ausländische Missionare. Gleichzeitig stagnierte die Kirche in Deutschland.
In dieser kurzen Arbeit möchte ich das Augenmerk daher auf einen anderen wesentlichen Aspekt von Mission lenken, der in unseren Gemeinden eher als Evangelisation verstanden wird. Menschen aus unserer Nachbarschaft mit dem Evangelium zu erreichen hat offenkundig nichts mit der Bekehrung fremder Nationen gemein außer der Guten Nachricht. Und doch hat der Wandel unserer immer pluralistischeren Gesellschaft dazu geführt, dass nicht nur ausländische Missionare in Deutschland Mission betreiben können, sondern auch wir vor unserer Haustür. Verschiedene Milieus und sogenannte „Randgruppen“ unterscheiden sich immer mehr, neue „Gattungen“ werden begründet und man grenzt sich beständig zu den Anderen ab. Das führt dazu, dass wir anfangen müssen auch für diese Gruppen das Evangelium in ihren ganz eigenen Hintergrund zu übersetzen und ihnen helfen die Lebenserfahrungen mit Jesus aus ihrer Subkultur auf ihre ganz eigene Weise zu machen.
Einleitungsfragen
Ich habe das Thema gewählt, da es mir selbst ein Anliegen ist herauszufinden, wie man als Christ authentisch kleinen, sich von der übrigen Gesellschaft stark abgrenzenden Gruppen begegnen kann um ihnen das Evangelium bzw. Jesus Christus näher zu bringen. Das Thema „Begründung und Auswirkung der Mission von Randgruppen und Deutschland“ stellt dabei schon viele Fragen in den Raum. Was sind Randgruppen in Deutschland und wie werden sie definiert? Warum sollte man Randgruppen in Deutschland missionieren? Wie kann diese Randgruppenmission aussehen, gestaltet werden? Was würde sich verändern, wenn man die Gute Nachricht gezielt zu den Randgruppen bringt? In dieser Hausarbeit möchte ich bewusst auf zwei mir bekannte Randgruppen eingehen und die Einleitungsfragen exemplarisch an ihnen bearbeiten.
Was zeichnet eine Randgruppe in einer Gesellschaft aus?
Vera Hewener beschreibt auf ihrer Website für Literatur, Kultur und Gesellschaft Randgruppen so: “Angehörige von Randgruppen sind Menschen, die sich anders verhalten, anders aussehen, andere Neigungen oder Wertvorstellungen haben als die Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder. Sie weichen in irgendeiner Art und Weise von geltenden Normen und Regeln ab und werden von der Mehrheit an den Rand der Gesellschaft gedrängt.“(1) In anderen Quellen wird eine Randgruppe, so oder mit ähnlichem Wortlaut, als eine Gruppe von Menschen definiert, die von der Gesellschaft nicht anerkannt oder gar verachtet werden. Sie sind isoliert, benachteiligt oder gar hilfebedürftig um sich wieder in das soziale Netz einzugliedern.
In der Fachwissenschaft herrscht überdies seit kurzem ein Streit, ob der Begriff noch zeitgemäß sei und ob man ihn nicht lieber aus der deskriptiv-analytischen Sprache eliminieren sollte um ihn ausschließlich im sozialkonstruktivistischen Sinne als politischer Problembegriff zu verwenden.(2)
Für diese Arbeit spiegelt die erste Definition von Frau Hewener wider, wie der Begriff Randgruppe für diese Arbeit verstanden werden soll. Die sich durch Neigungen, Beschäftigungen oder offen gelebte Lebensphilosophie von der breiten Masse unterscheiden und dadurch vom Großteil der Gesellschaft eher schief angesehen werden. Die Abgrenzung kann durch die Szene oder Subkultur selbst geschehen oder von der breiten Masse der Gesellschaft vollzogen werden. Als Beispielgruppen wähle ich deshalb zum Einen die Gothic-Szene und zum Anderen die Szene der Rollenspieler in Deutschland. Als Rollenspiel wird für diese Zwecke nur das „Pen & Paper“ Rollenspiel betrachtet und nicht das LARP (Live action role playing, dabei wird der Charakter direkt durch den Spieler verkörpert/dargestellt) oder andere unbekanntere Formen.
Mission von Randgruppen – warum?
Jesus tat es, also können wir das auch. Jesus war nicht der Typ für eine breite Masse. Ja er lehrte tausende auf einmal, predigte in den Synagogen und war immer wieder von Menschenmassen umgeben. Aber die Situationen, in denen wir wirklich das Wesen Jesu erfahren können und nicht nur theoretische Reden hören sind meist Einzelbegegnungen mit Menschen oder im direkten Zwiegespräch mit einer oder ganz wenigen Personen. Er beruft Zöllner und Zeloten als Jünger, speist mehrfach mit offenkundigen Sündern und Zöllnern und kümmert sich um Blinde und Aussätzige.
Jesus ist uns Vorbild, wie wir mit Menschen am Rande der sozialen Gesellschaft umgehen sollen und fordert uns gerade dazu heraus, es ihm gleich zu tun. Wir denken dabei oft nur an diejenigen, welche durch gesundheitliche Makel ausgegrenzt sind. Aber Jesus ging auch zu denen die eben durch oben genannte Definition einen Unterschied boten und deshalb an den Rand gedrängt wurden.
Wenn wir „vor unserer Haustür“ das Evangelium verkünden, dann meist mit einer offensiven Botschaft unter dem Begriff Evangelisation. Durch den Wandel in der Postmoderne, bilden sich aber immer mehr Subkulturen und „Splittergruppen“ die sich eben nicht mehr durch ein Programm für die breite Masse anziehen lassen. Vielmehr reduziert sich die uns bekannte Allgemeinheit mehr und mehr und wird zunehmend zu einer eben dieser Subkulturen.
Effektiver und biblischer scheint es da, dort wo wir bereits unser Leben verankert haben den Leuten in ihrer Art und Weise, mit ihrer Sprache und vor allem authentisch zu begegnen und als Vorbild christliches Leben zu gestalten.(3) Besonders die letzten 150 Jahre zeigen, dass es eben nicht das eine Christentum gibt. Trotzdem gibt es einige Gruppen, die keine feste Gemeinde für sich finden. Vielleicht ist es auch nicht ihr Anliegen sich in eine christliche Gemeinschaft zu integrieren. Mögliche Gründe wären die Angst vor Aufgabe der eigenen Identität, ob nun gefordert oder aus eigenem Antrieb, das Gefühl ein „Exot“ zu sein, Anstoß für andere Gemeindemitglieder zu sein oder einfach nur das Unwohlsein, sich in eine andere Subkultur zu begeben und dort leben zu müssen. Deshalb sollten wir nicht darauf drängen diese Menschen in unsere Gemeinden hinein zu drängen, sondern ihnen einen eigenen Lebensraum im oder in der nähe des Gemeindekontextes.
Gedanken zur praktischen Umsetzung
Um sich mit der Frage der Mission zu beschäftigen ist es notwendig den Hintergrund, also die Entstehungsgeschichte, die Lebensphilosophien, mögliche Rituale und die heutige Situation mit möglichen Fragen dieser Gruppen für die Anknüpfung kennen zu lernen und zu verstehen.
1. Die Gothic-Szene, eine Beschreibung
Die Gothic-Szene hat ihre Anfänge in den späten 1970er Jahren bis ca. 1980. Dabei ist nicht eindeutig geklärt ob Großbritannien als der eine Ursprung zu werten ist, oder ob sich parallel zu der englischen Bewegung in anderen Ländern ebenfalls ähnliche Jugendbewegungen gebildet haben. Fest steht aber, dass die Bewegung in England als Vorbild für den Rest Europas galt. Philipp Kiszka beschreibt auf seiner Internetseite: „In diesem Jahr veröffentlichte die Gruppe Bauhaus das Lied "Bela Lugosi's Dead". Es sollte eigentlich nur ein erfolgreicher Song werden, aber viele junge Fans sahen es als Inspiration [...].“(4) Auch wenn dies nur eine Meinung ist, macht sie deutlich, dass die Begründung und Entwicklung der Gothic-Szene sehr stark mit der Musik verankert ist. So ist sie auch heute noch eines der stärksten Identifikationsmerkmale. Andere, passendere Bezeichnungen sind Schwarze Szene, bzw. Dark Wave oder New Romantics(5), da sich der Name Gothic erst Ende der 1980er als „Selbstbezeichnung“ durchsetzte.
Neben den „wirklichen Goths“ gab und gibt es eine große Sympathisantengemeinde, welche nur zeitweise oder nur ansatzweise der Szene anhängen. Dies macht es schwierig eine genaue Größe der Szene festzulegen. Ebenfalls erschweren die vielen Untergruppen der Gothic-Szene eine genauere Bestimmung, was nun gothic ist und was nicht. Christoph Wagenseil schreibt für den Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst e.V.: „Die Szene ist nicht nur von Anfang an sehr heterogen, sondern splitterte sich zudem im Laufe der Zeit auf.“(6) Nach dem kulturellen Aufschwung während der 1980er kam es Mitte der 90er zu einem Einbruch.
[…] zum ersten mal fiel mir ein Phänomen auf, das für mich ein Zeichen des inneren Verfalls der Szene ist: eine Großzahl der Bands verschwindet nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums. […] Wo sind sie alle geblieben […] The Tors of Dartmoor, The Merry Thoughts, Substance of Dream... Liegt es an den Bands? Ist nach einem Album die Luft ’raus?“(7)
Viele der musikalisch prägenden Bands verschwanden nach ihrem ersten Album wieder und so fehlte der Schwarzen Szene die Hauptinspirationsquelle. Dies belegen viele Zeugen dieser Zeit wie der Journalist Thomas Thyssen und die Musiker John Berry, Douglas Avery und Steve Weeks. Erst mit der Jahrtausendwende erlebte die Schwarze Szene einen Aufschwung durch neue, langlebigere Bands.
Die zwei wichtigsten Identifikations- und Erkennungsmerkmale der Gothic-Szene sind die Musik und die Mode. Während Erstere auch von Sympathisanten und nicht zugehörigen der Szene gehört wird ist Zweitere wohl das eindeutigste Merkmal. Auch hier gilt wie bei der Musik, dass die vielen unterschiedlichen Splittergruppen in dieser Subkultur sich teilweise sehr stark unterscheiden. Einzige wirkliche Gemeinsamkeit ist die Farbe Schwarz und allgemein dunkle Farbtöne. Ein Grund dafür wird wohl die Distanzierung zum Mainstream der 1980er Jahre gewesen sein. Schrille und bunte Farben waren das Merkmal dieser Zeit und man versuchte sich davon abzuheben.(8) Gothics haben allgemein weit weniger mit dem Thema Tod zu tun als weitläufig angenommen. Aufgrund der Sinnsuche im Leben ist es eines der zwar ein Thema, doch nur ein Teil der Szene kann unter dem gebräuchlichen Schimpfwort „Gruffti“, von Gruft oder Grab, betrachtet werden.
Oft werden Goths bzw. Gothics in Verbindung mit Satanisten und okkulten Praktiken gebracht. Für einen sehr kleinen Teil der Szene trifft diese bewusste Übereinstimmung zu, doch die breite Mehrheit distanziert sich eher davon(9) oder verwendet bewusst kleine Unterschiede, die dem unwissenden Beobachter nur sehr schwer auffallen würden, um sich von dieser Szene abzugrenzen. Beispiele hierfür wären Kreuze, die richtig herum getragen werden oder auf dem Kopf stehende Pentagramme.
Die Religiösität der Schwarzen Szene lässt sich nicht auf einen Schwerpunkt festlegen. „Nihilismus und Weltschmerz können genauso Thema sein wie Okkultismus, Esoterik oder christliche Mystik. Viele sind auch atheistisch eingestellt.“(10) Dabei kommt der recht starke Individualismus der Szene zum Ausdruck, denn jeder kann seine eigenen Schlüsse aus vorherrschenden Glaubensrichtungen ziehen. Allgemein lässt sich aber festhalten, dass sich die Szene eher auf philosophischer Ebene mit düsteren mystischen Inhalten beschäftigt.
Dies ist nur ein kurzer, eigentlich sehr unzureichender Abriss über die Gothic-Szene, da sie doch um so vieles vielseitiger und tiefgreifender ist als allgemein bekannt. Anders ist es aber im Umfang der Arbeit und der Rechtfertigung des Zeitaufwandes nicht möglich.
2. Gemeinde der Rollenspieler, abgetaucht in eine andere Welt
Mein persönliches Hobby, das sogenannte Fantasy Rollenspiel zu beschreiben stellt mich immer wieder vor eine große Herausforderung. Das liegt weniger an einer Ahnungslosigkeit als vielmehr am abstrakten Charakter und der Komplexität der Möglichkeiten des Spieles.
Beim Rollenspiel bewegt man sich mit seinem Charakter in einer konstruierten Wirklichkeit und erlebt zusammen mit anderen Abenteuer, löst Rätsel und entdeckt die Welt. Dabei konstruieren Spielleiter und Spieler fantastische Geschichten und Erlebnisse. Der Spielleiter ist dabei Regisseur, Nebendarsteller und Regelrichter.(11)
Das hier betrachtete Pen & Paper Rollenspiel wird, wie der Name schon sagt, fast ausschließlich mit Stift und Papier als Hilfsmittel gespielt. Man sitzt zusammen an einem Tisch, vertilgt oft eine Menge Süßigkeiten und verbalisiert das Spielgeschehen. Der Spielleiter beschreibt die Umgebung, die Eindrücke und das Auftreten von NSCs, den Nichtspieler Charakteren, während die Spieler die Handlungen und die Interaktion jeweils ihrer Spielfigur artikulieren.
Die Ursprünge der heute als Rollenspiel bekannten Szene liegt laut der zukünftigen Mag. Phil. Julia Hinterbuchinger bereits Anfang des 19 Jahrhunderts. Was zuerst ein militärisches Training war, wurde bald als große Schlachten mit Spielfiguren gespielt. Die beiden US Amerikaner Dave Arneson und Gary Gynax brachten fantastische Elemente wie Elfen, Zwerge, Drachen und Magie in das Rollenspiel und brachten 1974 den Grundstein des Pen & Paper Rollenspiels mit den ersten Regelwerk namens Dungeons&Dragons heraus.(12)
Die Vermarktung lief lange zeit sehr schlecht, da Verlage sich nicht an diese neue Kategorie heranwagen wollten. Somit begannen die Spieler damit selbst Rollenspiele heraus zu bringen und zu konstruieren. Bereits Anfang der 1980er Jahre gab es eine breite Vielfalt an Rollenspielsystemen, die sich teilweise bis heute durchgesetzt haben. Dazu zählen Bushido (1980/81), Call of Cthulhu (1981),Midgard (1981) in Deutschland oder Middle Earth (1984). 1984 wird schließlich DSA (Das schwarze Auge) veröffentlicht, das in Deutschland am weitesten verbreitete und gleichzeitig das größte deutschsprachige System.
Heute gibt es in Deutschland unzählige Rollenspielsysteme unterschiedlichster Genres, von Mittelalter-Fantasy, über Horror und Mystik bis hin zu Cyper Punk und Science-Fiction. Es gibt viele kleine bis weit verbreitete deutsch- oder englischsprachige Systeme. Es wäre unmöglich die Unterschiede und Komplexität, allein der in Deutschland verbreiteten Rollenspiele in dieser Arbeit aufzuzeigen.
Anders als bei der Gothic-Szene lassen sich die Rollenspieler nicht anhand eines Lebensstils, einer Lebensphilosophie oder zum Beispiel die Kleidung definieren. Rollenspieler sind in diesem Sinne keine in sich geschlossene Subkultur sondern können durchaus auch anderen Subkulturen wie der Gothic- oder Mittelalterszene angehören. Ebenso kann ein Rollenspieler verschiedener Lebensphilosophien anhängen. Ich selbst bin Christ und kenne einige Christen in der Szene. Andere dagegen sind bekennende Atheisten oder hängen gar mystischen oder okkulten Überzeugungen an. Die einzig wirkliche Gemeinsamkeit dieser Subkultur ist das Hobby, Pen&Paper Rollenspiel.

So haben wir nun eine Szene die sich stark an Musik und Mode definiert und im Gegensatz dazu eine, rein durch ein Hobby erklärbare Subkultur.
3. Wie sollte Mission hier aussehen?
a) Allgemein
Allgemein unterscheidet sich Randgruppenmission kaum von den Ansätzen der Kontextualisierung in der Weltmission. Dabei stößt sie bei Randgruppen genauso wie bei anderen Kontinenten auf kritische Stimmen. „Darf man das Evangelium so verdrehen?“, „Da geht doch die biblische Botschaft verloren“. Das ist eine Gefahr, die nicht unberücksichtigt bleiben kann.
Der Missionstheologe Paul Hiebert schlägt deshalb eine kritische Kontextualisierung vor. Hiebert möchte den Problemfeldern entgegenwirken und schlägt vier „Leitplanken“ vor, an denen eine Kontextualisierung sicher vor sich gehen kann:
1. Christen und Kirche sind immer ein Teil der Kultur, […] so muss der Kontext immer sorgfältig untersucht werden.
2. Die Bibel muss als Autorität anerkannt sein. Jede Person ist vor der Bibel gleich.
3. Das allgemeine Priestertum geht davon aus, dass alle Gläubigen den Heiligen Geist empfangen haben, der sie im Verstehen und in der Umsetzung der Bibel in ihrem Leben leitet.
4. […] Kontextualisierung ist Aufgabe der ganzen Kirche und Gemeinde, […]
sie soll mündig machen, [...]“(13)
In einer Subkultur authentisch werden und trotzdem Christ zu bleiben lässt sich mit diesem Handwerkszeug einfacher gestalten.
Ein praktisches Beispiel liefert Sara Faix. Sie beschreibt im Buch Zeitgeist 1 auf den Seiten 210 bis 213 was es heißt sich auf andere Kulturen einzulassen und worauf es ankommt. Sich von der Kultur/Subkultur begeistern und inspirieren lassen, sich einleben und die anderen Wertschätzen, aber dabei nie sich selbst verleugnen und den Respekt vor sich selbst verlieren.(14) Randgruppenmission ist vom Aufwand her vergleichbar mit der Mission kleiner bisher unerreichter Völker und Ureinwohnerstämmen. Es braucht eine lange Zeit um sich in deren Kultur einzuleben und die Menschen kennen zu lernen. Man sollte sich darauf einstellen erst nach mehreren Jahren erste Erfolge in Form von „am deinen christlichen Aktivitäten Interessierte“ zu bekommen.
b) in der Gothic Szene
Wie in allen anderen Kulturen ist es unabdingbar eine Zeit lang in ganz engem Raum mit den Menschen zusammen zu leben, dort zu sein, wo sie sind, das zu erleben, was sie tun und die selben Veranstaltungen zu besuchen. In der Schwarzen Szene ist der Kleidungsstil allerdings wichtiger als in kaum einer anderen Kultur oder Subkultur. Daneben zählen Musikgeschmack und die „richtige Einstellung“ im Sinne des „dazu stehen was ich bin und glaube“ laut Philipp Kiszka(15). Man sollte sich zumindest mit einem Musikstil der Schwarzen Szene identifizieren können, mindestens dafür interessieren. Durch den Kleidungsstil, vor allem bei Treffen, Veranstaltungen und Discobesuchen, zeigt man seine Zugehörigkeit. Sehen und gesehen werden sind die Schlagworte. Das ist auch der Grund warum Szenemitglieder teils drei Stunden und mehr vor dem Spiegel und im Bad verbringen um sich herzurichten für einen Discobesuch. Die Bedeutung des äußerlichen Auftretens beschreibt auch David Brechtel in einem Interview, er ist Christ und gleichzeitig Gothic(16) Gleicher beschreibt in seinem Internetauftritt, dass Gothics teils sehr intellektuell, beschäftigen sich mit Gedichten und tiefgründigen Themen.(17)
Ein großer Anknüpfungspunkt ist die Sinnsuche in dieser schlechten, traurigen Welt vieler Gothics. Mit Jesus als dem, der uns Freude und Sinn in unserem Leben gibt und wir durch ihn Lebensweisung erfahren.
Wenn man sich in der Szene etabliert hat und eine Gothics kennt, die zumindest ein leichtes Interesse am christlichen Glauben hegen bietet sich auch ein Gothic-Gottesdienst an. Dafür gibt es bereits Vorbilder in den USA, bei denen die liturgische, wie auch die Dekoration und die gesungen Lieder auf die Zielgruppe angestimmt wurden.(18) Ein ähnliches Beispiel bietet Reverend Marcus Ramshaw in England. Er bezeichnet sich selbst als Goth und sieht eine Notwendigkeit darin, dass Gefühle offen gezeigt werden können.(19)
c) In der Rollenspielszene
Durch den Unterschied der Rollenspieler zu anderen Subkulturen und Kulturen fällt es hier schwerer einen einheitlichen Anknüpfungspunkt zu finden. Da viel weniger eine vorherrschende Glaubens- oder Überzeugungsrichtung ausschlaggebend ist sondern viel mehr das gemeinsame Interesse am Rollenspiel. Es gibt zwar Tendenzen wie die Faszination des Mittelalters oder Anhänger speziell eines Systems, doch eine ähnliche Lebensphilosophie ist eher Zufall. Daher wäre es wichtig sich seiner eigenen Interessen bewusst zu werden und Rollenspieler mit ähnlichen Vorlieben zu suchen, bzw. sich in deren Umfeld zu begeben. So kann man mit Anhängern der Mittelalter-Szene eine mittelalterliche Messe in einer sehr alten Kapelle oder Kirche gestalten. Als Beispiel dafür habe ich einen mittelalterlichen „Horizonte Gottesdienst“ der Baptistengemeinde in der Kapelle St. Jost in Marburg miterlebt. Dabei gab es alte Liturgie und einen Saitenspieler für die musikalische Untermalung. Allgemein in der Szene sollte es für einen Christen das normalste der Welt sein Rollenspiel und Christsein zu vereinbaren. Habt man Kontakte, kann man dann von seinem „anderen Leben“ berichten, aber ohne offentsichtlichen Missionierungscharakter. Es ist wichtig auf die Neugier der Leute zu warten bzw. diese anzuregen. Zu forsches konfrontieren mit dem christlichen Glauben kann hier zu einer empfundenen Zwangsmissionierung führen. Dies hätte zur Folge, dass man Kontakte verliert und das Ziel verfehlt hätte.
Auswirkungen der Randgruppenmission
Durch Randgruppenmission nach diesen Grundgedanken wird man keine globalen Veränderungen nach wenigen Jahren feststellen können. Vielmehr nimmt man Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung ernst und sie erhalten das Gefühl, dass sich ein Christ tatsächlich für sie interessiert wie sie sind. Man setzt einen anderen Akzent zur Beziehung zum Christentum, die meist durch eine Ablehnung der Großkirchen und damit des Christentums an sich besteht. Mit viel Verständnis Vorurteile abzubauen und eine stetige Begegnung in Liebe und Respekt zu den einzelnen Menschen führt auf lange Sicht zu mehr Offenheit ihrerseits. Diese Offenheit kann dann genutzt werden um sie langsam in Begegnung mit dem zu bringen, was uns die Bibel lehrt.
Nicht zuletzt wir eine kleine Christliche Gruppe in einer Subkultur immer Aufsehen erregen. Als Vorbild im Umgang mit Randgruppen, zu denen diese Gruppen ja selbst gehören, können sie Andere anregen es ihnen gleich zu tun oder Menschen der eigenen Subkultur weiterhin mit Jesu Liebe begegnen, aber ebenso Ermutigung und Vorbild für Christen in anderen Subkulturen sein
Resümee
Diese Hausarbeit soll einen kleinen Einblick geben, welche Gedanken am Anfang der Randgruppenmission in Deutschland stehen. Da unsere „Kultur“ immer multikultureller wird, wie Miluestudien zeigen, reicht einfache Evangelisation meist nicht mehr aus, wie sie von den meisten Gemeinden betrieben wird.
Die hier ausgeführten Gedanken richten sich eher an Einzelpersonen, können aber auch gezielt als Konzept von Gemeinden verwendet werden um durch einzelne Gemeindemitglieder Subkulturen in ihrem Umfeld zu erreichen. Dafür wären Mitarbeiterschulungen in Kontextualisierung und Wissensbildung über die Zielgruppe, sowie eine bewusste Sendung zur Randgruppenmission und viel Geduld. Man sollte auch nicht davon ausgehen diese Menschen irgendwann in die „normale“ Gemeinde zu integrieren, sondern von Anfang an mit einem neuen und eigenständig kreativen Arbeitszweig rechnen.
Die Recherche über die Beispielgruppen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit sonder ist eher ein kurzer Abriss um einen ersten Einblick zu erhalten.

Fußnoten
(1) http://www.vera-hewener.de/html/body_randgruppen.html (abgelesen am 14.04.2010)
(2) http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=583 (abgelesen am 14.04.2010)
(3) Tobias Faix; Zeitgeist 1; S. 120
(4) http://www.gothicinfo.de/ (abgelesen am 16.04.2010)
(5) http://www.remid.de/info_gothic.html (abgelesen am 16.04.2010)
(6) http://www.remid.de/info_gothic.html (abgelesen am 17.04.2010)
(7) Lara von Bergen: Editorial, The Gothic Grimoire, Ausgabe 1/96, S. 3, Frühjahr 1996; zitiert nach Wikipedia (abgelesen am 17.04.2010)
(8) http://www.dunkle-allianz.de/textindex.htm; Text von Oliver Zimmermann (abgelesen am 19.04.2010)
(9) http://de.wikipedia.org/wiki/Gothic_%28Kultur%29 (abgelesen am 17.04.2010)
(10) http://www.remid.de/info_gothic.html (21.04.2010)
(11) Julia Hinterbuchinger, Diplomarbeit mit dem Titel Eine Einführung in das Pen&Paper-Rollenspiel am Beispiel Vampire: The Masquerade“; Wien 2010; S. 158
(12) Julia Hinterbuchinger, Diplomarbeit mit dem Titel Eine Einführung in das Pen&Paper-Rollenspiel am Beispiel Vampire: The Masquerade“; Wien 2010; S. 13f
(13) Tobias Faix; Zeitgeist 2; S. 125
(14) Sara Faix; Zeitgeist 1; S. 211ff
(15) http://www.gothicinfo.de/ (abgelesen am 16.04.2010)
(16) Idea Spektrum Nr. 33/34; erschienen am 24.08.2006
(17) http://www.gothic-christen.de/index.php (abgelesen am 21.04.2010)
(18) http://www.news.com.au/pictures/gallery-e6frflv9-1111120472048?page=1 (Bilder gesehen am 21.04.2010)
(19) http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/england/cambridgeshire/4625430.stm (abgelesen am 21.04.2010)

Quellenverzeichnis
- Julia Hinterbuchinger, Diplomarbeit mit dem Titel „Eine Einführung in das Pen&Paper-Rollenspiel am Beispiel Vampire: The Masquerade“; Wien 2010;
- entnommen: http://othes.univie.ac.at/8149/1/2010-01-14_0301826.pdf; (kopiert am 20.04.2010)
- Oliver Zimmermann, Diplomarbeit „Ideologie einer Jugendkultur am Beispiel der Gothic- und Darkwave- Szene“, Berlin 2000
- entnommen: http://www.dunkle-allianz.de/textindex.htm (abgelesen am 19.04.2010)
- http://de.wikipedia.org/wiki/Gothic_%28Kultur%29 (abgelesen am 16.04.2010)
- „Lara von Bergen: Editorial, The Gothic Grimoire, Ausgabe 1/96, S. 3, Frühjahr 1996“; zitiert nach Wikipedia (abgelesen am 17.04.2010)
- http://de.wikipedia.org/wiki/Pen-%26-Paper-Rollenspiel (abgelesen am 19.04.2010)
- http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/england/cambridgeshire/4625430.stm (abgelesen am 21.04.2010)
- http://www.gothic-christen.de/index.php (abgelesen am 21.04.2010)
- http://www.gothicinfo.de/ (abgelesen am 16.04. und 17.04.2010)
- http://www.news.com.au/pictures/gallery-e6frflv9-1111120472048?page=1 (Bilder gesehen am 21.04.2010)
- http://www.remid.de/info_gothic.html (abgelesen am 16.04.2010)
- http://www.socialinfo.ch/cgi-bin/dicopossode/show.cfm?id=583 (abgelesen am 14.04.2010)
- http://www.vera-hewener.de/html/body_randgruppen.html (abgelesen am 14.04.2010)
- Idea Spektrum; Ausgabe 33/34; erschienen am 24.08.2006; Artikel „Als Christ in der Schwarzen Szene“
- Hrsg. Tobias Faix und Thomas Weißenborn; Zeitgeist – Kultur und Evangelium in der Postmoderne; Franke Verlag; 2007
- Hrsg. Tobias Faix, Thomas Weißenborn und Peter Aschoff; Zeitgeist 2 – Postmoderne Heimatkunde; Franke Verlag; 1. Auflage 2009

1 Kommentar:

  1. Also ich find ja schon, dass man auf MEILEN erkennen kann, ob jemand Rollenspieler ist oder nicht... das sind doch zumeist recht alternativen Zeitgenossen ;-) und mir überaus sympathisch... Beweis: auf dem Spring-Festival habe ich mit einem zusammen gearbeitet. Eher so der Metal-Mittelalter-Typ: Kinnbart, längere Haare, meist dunkler gekleidet, durchaus nicht so schlimm dunkel, wie man sich das so denken könnte, er hat auch farbige T-shirts getragen *lach*. Ich hätte SCHWÖREN können, dass der Rollenspieler ist. Hab mich nicht getraut direkt zu fragen und hab nur Andeutungen gemacht. Hat sich aber bestätigt - ja Mann, der Typ war Rollenspieler! Ehrlich jetzt: wir haben doch irgendwie immer so was leicht Nerdiges an uns...

    LG, die MeHlanie

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