Freitag, 7. Mai 2010

Geistlicher Missbrauch


Geistlicher Mißbrauch

Hausarbeit in Gemeindepädagogik


Verfasser: Stefan Hofmann

Die Ausgangssituation
Definition von geistlichem Mißbrauch
Das, was man unter geistlichem Mißbrauch verstehen kann, ist nur sehr schwer in eine Definition zu komprimieren. Wie auch der Autorin Inge Tempelmann in ihrem Buch „Geistlicher Mißbrauch – Auswege aus frommer Gewalt“ beschreibt, so bleibt es auch allgemein mehr bei einem Versuch einer Definition mit persönlichen Schwerpunkten. Geistlicher Mißbrauch ist immer eine Grenzverletzung an anderen Menschen, die durch geistliche Motive begründet oder gerechtfertigt wird. Dabei wird Autorität über eine Person ausgeübt, gleich ob man diese Autorität hat oder vorgibt zu haben. Dies führt vor allem zu psychischen Missständen bei den Betroffenen und kann ihr Glaubensbild und die Beziehung zum Thema Religion bzw. ihre Beziehung zu Gott nachhaltig sehr negativ beeinflussen und prägen. Geistlicher Mißbrauch kann bewusst, meistens aber unbewusst geschehen.(1) Trotzdem ist nicht jede Grenzverletzung gleich geistlicher Mißbrauch. Deshalb ist es wichtig neben der Sensibilisierung für dieses Thema nicht auf der anderen Seite des Pferdes mit einer Übersensibilisierung herunter zu fallen. Dies könnte dazu führen, dass Personen zu unrecht des geistlichen Mißbrauchs beschuldigt und vielleicht von einer ganzen Gemeinde deswegen verurteilt werden.
Dimensionen von geistlichem Mißbrauch
Geistlicher Mißbrauch kann von verschiedenen Positionen auf ganz unterschiedliche Positionen ausgeübt werden. Dabei sind es nicht immer die Menschen in Führungspositionen, bzw. mit Leitungsaufgaben, sondern auch „normale“ Christen. Folgende Indikatoren können Anzeichen für geistlichen Mißbrauch sein: Manipulation, Machtanspruch, geforderter Vertrauensvorschuss von Leitern, Lügen die als Missverständnisse abgetan werden und Themen die nicht angesprochen werden dürfen.(2)
Im Blick auf Autorität kann geistlicher Mißbrauch auf drei Ebenen geschehen, strukturell, durch Lehrautorität oder geistliche Autorität. Auch hier muss ein Fehlverhalten nicht unbedingt geistlicher Mißbrauch sein. Es kann sich auch um Machtmißbrauch handeln.
Exemplarisch dargestellt
Erstes Beispiel:
In mehreren Internetauftritten über geistlichen Mißbrauch wird die Geschichte von Brigitte Ackermann geschildert. Sie war Mitglied einer Elim-Gemeinde in Zwickau. Dort freundete sie sich mit dem Pastor und dessen Frau gut an. Mit der Zeit vertiefte sich die Beziehung zwischen Frau Ackermann und dem Pastor immer weiter, während das Verhältnis zu dessen Frau immer problematischer wurde. Diese Tatsache blieb in der Gemeinde nicht unbemerkt. Irgendwann wurde sie dann vom Jugendpastor der Gemeinde zu einer Verhaltensänderung aufgefordert. Als sie dies ignorierte wurden nach und nach Sanktionen über sie verhängt. Frau Ackermann erhielt schließlich Hausverbot und aufgrund ihres Wunsches nach Klärung wurden öffentliche Maßnahmen verhängt. So zum Beispiel Anzeigen über den Staatsanwalt, Versuch einer Einweisung zu einer psychiatrischen Behandlung und öffentliche verbale und auch körperliche Angriffe. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde Brigitte Ackermann von einem Gericht zu 10 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.(3)
Zweites Beispiel:
Anja beschreibt unter geändertem Namen ihre Erlebnisse in einer Gemeinde. Sie trat aus der Landeskirche aus und suchte sich mit ihrem Mann und den Kindern eine freie Gemeinde, da sie dort ein erfüllteres geistliches Leben erhoffte. Dies fand sie auch und war einige Zeit sehr glücklich in der Gemeinde. Nach ein paar Jahren holte sie ihre Vergangenheit wieder ein und sie beanspruchte Seelsorge von einem Gemeindemitglied. Durch äußerliche Veränderungen bekam auch die Gemeinde mit, dass etwas mit Anja nicht in Ordnung war. Bald beanspruchte die Frau des Pastors die Seelsorge von Anja für sich, doch sie wollte das nicht. Kurze Zeit später trat Anjas Seelsorgerin aus der Gemeinde aus. Es wurde dann gesagt, dass Seelsorge nicht so wichtig sei und man eigentlich mit den Problemen zu den Ältesten gehen sollte. Die würden dann für einen beten und dann sei auch alles wieder gut. Seelsorge durfte auch nicht mehrere Wochen in Anspruch nehmen. Später gab es dann Anfeindungen gegen ihren Sohn, als in der Gemeinde Beziehungen unter 18 Jahren untersagt wurden. Er hatte eine Freundin aus der Gemeinde und beide wollten eine „reine“ Beziehung bis zur Ehe leben. Das wurde nicht akzeptiert, auch nicht, dass die Eltern nichts dagegen unternahmen. Die Jugendlichen wurden von ihren Tätigkeiten wie Lobpreis, Folien beim Lobpreis auflegen oder Kindergottesdienst enthoben. Heute ist weder Anja noch ihre Familie Mitglied in dieser Gemeinde. Sie leben teils sehr zurückgezogen und haben mit den langfristigen Folgen dieser Auseinandersetzung zu kämpfen.(4)
Drittes Beispiel:
Ein nicht benannter Autor beschreibt in einem Onlineauftritt, dass er durch geistlichen Mißbrauch seine Anstellung bei einer Gemeinde verloren hat. Er war mehrere Jahre Mitglied der Gemeinde und wurde nach 2 Jahren Mitgliedschaft als Korrespondent eingestellt. Leider trennte sich seine Frau von ihm und er musste aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Er fand zunächst Unterschlupf in der Gemeinde zugehörigen Räumen, musste später aber auch diese verlassen. Danke eines Ehepaares der Gemeinde konnte er in einem Mehrzweckgebäude der Gemeinde unterkommen. Dies missfiel allerdings den Ältesten, die dies den Autor auch spüren ließen. Schließlich musste er auch diese Räume wieder verlassen und kam bei einem Kollegen unter. Nach der Trennung von seiner Frau verliebte er sich in eine Frau der Gemeinde, die eine ähnliche Geschichte hat wie er selbst. Die Gemeindeältesten tolerierten diese Beziehung allerdings nicht. Als sich der Autor und seine neue Freundin gegen die Meinung der Ältesten stellten wurde er von den Ältesten entlassen mit der Begründung Ehebruch. Ihm wurde vorgeworfen im offenen Ehebruch zu leben und, dass sein Verhalten Sünde sei. Auch heute ist er noch Arbeitslos.(5)
Biblische Reflektion
Was sagt Jesus zu geistlichem Mißbrauch?
Jesus sagt schon die Situation voraus, dass es Menschen geben wird, die in seinem Namen Dinge tun und sagen werden, aber in Wirklichkeit falsche Propheten sind. Im Matthäusevangelium im Kapitel 7 kritisiert er, dass solche „Dornen“ und „Disteln“ keine guten Früchte hervorbringen. Das soll auch als Erkennungsmerkmal dienen. Im Kapitel 23 widmet sich Jesus fast das ganze Kapitel lang den geistlichen Führern des damaligen Israels und führt ihnen ihre Scheinheiligkeit vor Augen. Er macht sehr deutlich, dass es nicht auf Äußerlichkeiten ankommt, sondern die innere Einstellung wichtiger ist. Auch bei geistigem Mißbrauch heute, werden Menschen durch äußere Dinge in Bedrängnis gebracht und über Äußerlichkeiten unterdrückt. Wie spätestens im Kapitel 24 beim Gleichnis „Vom treuen und vom bösen Knecht“ deutlich wird, geht Jesus bei geistlichem Mißbrauch eher von bewussten Entscheidungen aus und steht damit im Gegensatz zu Inge Tempelmann, die den Mißbrauch eher als unbewusste Handlung beschreibt.
Allgemein fällt auf, dass Jesus, aber auch später die Apostel, sowie im AT die Propheten sehr offen und hart über das missbräuchliche Verhalten mit der Religion ins Gericht fahren. Sie stellen richtig, was ihn den Augen Gottes nicht in Ordnung ist und fordern zur Umkehr vom falschen Verhalten auf. Dieses öffentliche Anprangern von Missständen im religiösen Umfeld findet man heute leider kaum. Dies beklagt auch die Autorin Inge Tempelmann in ihrem Buch.(6) Wie die oben aufgeführten Berichte aufzeigen ist es ein hochsensibles Thema, was immer noch nur ungern thematisiert wird. Lieber schweigt man als mit einem anderen Christen ins Gericht zu gehen. Frau Tempelmann beschreibt weiter, dass geistlicher Mißbrauch für Jesus und die Apostel ein zentrales Thema war, für uns heute aber fast gar nicht.
Konsequenzen für uns heute
Daraus ergeben sich für uns einige wichtige Konsequenzen. Der Fokus muss wieder etwas mehr auf die geistlichen Missstände gerückt werden. Es ist wichtig, dass Christen sich wieder neu mit anderen Geschwistern in Glaubensfragen offen auseinandersetzen und auch feste Grundsätze immer wieder neu hinterfragt werden können. Wenn uns Geld- oder Gebäudesorgen mehr einnehmen als die Problemlösung in Glaubensfragen dann folgen wir also nicht mehr dem Beispiel Jesu.
Gemeindepädagogisch nachgedacht
Wie können Hauptamtliche sensibel und achtsam mit Macht umgehen und der Möglichkeit des geistlichen Mißbrauchs entgehen?
Was mir bei meinen Recherchen immer wieder deutlich wurde, ist dass geistlicher Mißbrauch oft mit einer Ergebenheit vieler Gemeindemitglieder gegenüber einer oder mehrerer Leitungspersonen zusammen hängt. Als Hauptamtlicher Mitarbeiter sollte man also Vorsichtig werden, wenn man zu lange bzw. zu sehr von vielen Gemeindemitgliedern unterstützt und die eigenen Worte oder Taten scheinbar als „Gesetz“ verstanden werden. Das eigene Glaubensleben und Gottesbild sollte für alle transparent sein und immer wieder der freien Diskussion ausgesetzt werden. Ebenso sollte beides ab und zu selbst kritisch hinterfragt werden. Das wichtigste ist und bleibt aber die eigene Beziehung zu Gott, die durch das Gottesbild beständig reflektiert wird. Authentisch für andere als Vorbild zu fungieren um dadurch andere Menschen durch die eigenen Art des Glaubens in ihrem ganz persönlichen Glaubensweg zu unterstützen und zu fördern, um dann wieder von ihnen zur lernen und sich selbst neu prägen zu lassen. Gott ist groß und wirkt nicht nur durch einige Wenige, sondern durch den ganzen Leib Christi.

Fußnoten
(1) Inge Tempelmann; Geistlicher Mißbrauch; S. 18ff
(2) http://www.geistlicher-Mißbrauch.info/index.php?Definition (abgelesen am 05.05.2010)
(3) http://www.cleansed.de/dialog_elim_zwickau_c.php#prozess (abgelesen am 04.05.2010) und http://www.geistlicher-Mißbrauch.ch/Erlebnisse/Elim.pdf (abgelesen am 05.05.2010)
(4) http://www.cleansed.de/gmstory1104a.php (abgelesen am 05.05.2010)
(5) http://www.geistlicher-Mißbrauch.info/index.php?Berichte:K%FCndigung (abgelesen am 05.05.2010)
(6) Inge Tempelmann; Geistlicher Mißbrauch; S. 32

Quellenverzeichnis
- Inge Tempelmann; Geistlicher Mißbrauch – Auswege aus frommer Gewalt; Brockhausverlag; 2007
- http://www.cleansed.de/
- http://www.geistlicher-Mißbrauch.info/

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